Was sind PSS und welche Bedeutung haben diese für den Mittelstand

Die heutige Geschäftswelt ist zunehmend geprägt von Unberechenbarkeit wie Pandemien oder Handelskonflikten – produzierende Unternehmen wie AEG, Grundig, Kodak und Nokia verschwinden von der Bildfläche oder nehmen keine dominante Marktstellung ein, obwohl sich diese Unternehmen jahrelang durch exzellente Produkt- und Prozess-Innovationsfähigkeit ausgezeichnet haben. Doch welche Fehler haben diese Unternehmen begangen? Diese und weitere Fragestellungen wollen wir in einer Beitragsreihe rund um das Thema (digitale) Produkt-Service-Systeme (PSS) beantworten. Dieser Beitrag soll die Bedeutung von PSS hervorherben und die Auswirkungen auf den Mittelstand verdeutlichen.

Zum einen agieren produzierende Unternehmen in globalen Märkten und stehen somit im direkten Wettbewerb hinsichtlich der Qualität, der Technologie und der Kosten. Daraus resultieren ein starker internationaler Preisdruck, stagnierende Umsätze und Gewinnmargen, sowie die immer geringer werdende Möglichkeit einer technologischen und qualitativen Differenzierung aufgrund zunehmender Gleichwertigkeit von Konkurrenzprodukten globaler Anbieter.  Diesen Herausforderungen wird auf der Ebene der Produkt- und Prozessinnovationen begegnet. Zum anderen werden arrivierte Unternehmen durch Geschäftsmodell-Innovationen herausgefordert. Getrieben und befähigt durch die Digitalisierung entstehen neue disruptive Geschäftsmodelle, die bestehende Wertschöpfungsketten in großen Teilen oder sogar vollständig verdrängen. Diese Geschäftsmodell-Innovationen treffen etablierte Anbieter in der Regel unvorbereitet und können, wie bei den oben aufgeführten Unternehmensbeispielen, bis zur vollständigen Marktverdrängung führen. Daher ist die Entwicklung von innovativen Geschäftsmodell als eine Grundvoraussetzung für langfristige Wettbewerbsfähigkeit im unternehmerischen Umfeld anzusehen.

Heidelberger Druckmaschinen ist in diesem Kontext ein Paradebeispiel. Das deutsche Vorzeigeunternehmen stand 2009 kurz vor dem Bankrott, rationalisierte tausende Arbeitsplätze, bekam Staatshilfen in Millionenhöhe und innovierte sein Geschäftsmodell erfolgreich. Dabei fokussierte sich das Unternehmen auf das vielversprechende Konzept der Produkt-Service-Systeme (PSS). Heidelberger Druckmaschinen hat den Schritt vom technikversierten Produktanbieter zum kundenorientierten Lösungsanbieter vollzogen. Konkret wurden die bestehenden Kernprodukte um spezifisch angereicherte Services erweitert. Durch diese Gesamtlösung wurde den Kunden ein Mehrwert generiert und eine Differenzierung zum Wettbewerb erzielt.

Das PSS-Konzept kann als ganzheitliche Innovationsstrategie angesehen werden, die die Produkt-, Prozess und Geschäftsmodell-Ebene zugleich bedient. Unternehmen vollziehen einen Wandel: Sie beschränken sich nicht mehr auf die Entwicklung und den Vertrieb von Produkten, sondern ergänzen ihr Portfolio um die Bereitstellung eines Systems aus Produkten und Services, die auf spezielle Kundenanforderungen zugeschnitten sind.  Dieser Paradigmenwechsel wirkt dem veränderten Nachfrageverhalten durch flexibel anpassbare Sach- und Dienstleistungsanteile auf Kundenseite entgegen. Der Kundennutzen wird in den Mittelpunkt gestellt, eine nachhaltige Kundenbeziehung wird aufgebaut, wodurch ein langfristiger Wettbewerbsvorteil entsteht.  Die Strategie, Produkte durch angegliederte Services zu ergänzen wird in der Fachliteratur Servitisierung genannt. Durch sie kann eine dauerhafte Umsatzsteigerung erreicht werden.

PSS sind ein komplexes Themengebiet, das sehr facettenreich ist und deshalb tiefgehend verstanden werden muss. Der Anbieter eines PSS benötigt umfassendes Wissen, um ein PSS erfolgreich am Markt etablieren zu können. Häufig ist dieses Wissen in produzierenden Unternehmen nicht oder nur in geringem Maße verfügbar. Großunternehmen verfügen zumeist über Ressourcen, um sich dieses Wissen anzueignen. Der deutsche Mittelstand hingegen, auf den knapp 60 Prozent der Arbeitsplätze entfallen und der damit eine zentrale Rolle in der deutschen Wirtschaft spielt, verfügt oftmals nicht über diese erforderlichen Mittel. PSS haben jedoch eine Schlüsselfunktion für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und sind somit essenziell für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Interessiert Sie dieser Beitrag und möchten Sie ebenfalls Produkt-Service-Systeme in Ihrem Unternehmen einsetzen, dann kontaktieren Sie uns. Die Hochschule Pforzheim um Prof. Dr. Bernhard Kölmel, Prof. Dr. Rebecca Bulander sowie die wissenschaftlichen Mitarbeiter Alexander Richter, Lukas Waidelich und Patrice Glaser forschen seit mehreren Jahren intensiv an dieser Themenstellung und unterstützen im Rahmen des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Stuttgart KMU bei Vorhaben und Projekten im Bereich PSS.

Kontakt zum Themenfeld: geschaeftsmodelle@websites.fraunhofer.de
Ansprechpartner: Lukas Waidelich (Lukas.Waidelich@hs-pforzheim.de)