17 Feb. Mit Retrofit für das digitale Zeitalter gerüstet
Autor: Florian Klein
Digitalisierung, Smart Factory, IIoT und Industrie 4.0 sind in aller Munde. Doch was tun, wenn bestehende Maschinen und Anlagen dafür (noch) nicht bereit sind? Die Antwort lautet Retrofit!
Hiermit eröffnet sich eine Möglichkeit, um Bestandsanlagen zügig und mit vergleichsweise geringem Investitionsvolumen sowie überschaubarem Aufwand für die digitale Zukunft aufzurüsten.
Am 09. Februar 2021 wurde diese Thematik in einer Veranstaltung des VDMA Baden-Württemberg in Kooperation mit dem Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Stuttgart ausgiebig aufbereitet. Der Ablauf der zweistündigen Online-Veranstaltung war gegliedert in einen Einführungsvortrag zu den Potenzialen von Retrofit sowie der Vorstellung des Leitfadens Retrofit für Industrie 4.0. Anschließend wurden ausführliche Best-Practices aus Anwender- und Lösungsanbietersicht (von Bosch-Rexroth AG und SH-Tools GmbH) mit detaillierten Einblicken und wertvollen Erfahrungen aus der Praxis präsentiert.
Hintergrund und Motivation
Im Rahmen des neuen Leitfadens wurde erläutert, was unter Retrofit grundsätzlich zu verstehen ist und was typische Beweggründe hierfür sind. Als ein vorweggenommenes Ergebnis kann festgehalten werden, dass durch Retrofit viele Bestandsmaschinen kosteneffizient für Industrie 4.0 befähigt werden können und sich in Folge erhebliche Mehrwerte in der (verlängerten und erweiterten) Nutzung generieren lassen. Bis dato mangelt es aber vielen Unternehmen, speziell KMU, am notwendigen Wissen und der Vorstellung, welche Potenziale im Retrofit verborgen liegen und welche Vorgehensweisen vonnöten sind – das Thema Retrofit ist zwar allgemein bekannt, die Umsetzung steckt jedoch noch meist in den Kinderschuhen.
Best-Practice aus der Praxis von Anwender und Lösungsanbieter
Das erste Projekt stammt von Bosch Rexroth, wo man am Standort Erbach bereits seit mehreren Jahren konsequent den Weg zur Smart Factory beschreitet. Als erstes Beispiel wurde das Monitoring einer Nähmaschine vorgestellt, wobei es hier im Folgenden um die Überwachung des Maschinenzustands ging. Die Umsetzungsmethodik erfolgte im Rahmen eines Hackathons, welcher sich für schnelle Entwicklungen bzw. für die Umsetzung von langlebigen Lösungen eignet. Wichtig zu erwähnen, da der Hackathon einerseits für die grundlegende Sensibilisierung innerhalb der Belegschaft zuständig war, aber andererseits auch gleichzeitig als Schulung der Mitarbeiter gesehen wurde. In einem weiteren Projektbeispiel wurde anhand eines Ampel-Systems (Technische Störung, Wartung, Produktion) eine einfache Übertragbarkeit bei maschinenunabhängiger Zustandserfassung gewährleistet und damit die Rüstzeit signifikant minimiert.
Wiederholte Ausfälle eines Ventilators eines Spanplattenwerks, ohne dass die Ursachen dafür bestimmt werden konnten, stellten den Ausgangspunkt für das vorgestellte Retrofit-Projekt von SH-Tools dar. Mittels Zustandsüberwachung sollten Probleme im Betrieb frühzeitig aufgezeigt und die schnelle, eindeutige Fehlerbestimmung ermöglicht werden, um somit letztlich die Langlebigkeit des Ventilators zu steigern. Über die eigenentwickelte Tool-Box und Cloud-Plattform von SH-Tools werden Daten von zusätzlich angebrachten Sensoren übermittelt, gespeichert, aufbereitet und dem Benutzer als Trendcharts wieder zur Verfügung gestellt, die anschließend mit den Livedaten abgeglichen werden können. Im Anwendungsfall des Ventilators konnte so aufgrund hoher Schwing- und Temperaturwerte rechtzeitig Alarm ausgelöst, Korrekturen eingeleitet und Schäden vorgebeugt werden. Die Installation der Retrofit-Lösung lässt sich ohne Mess- und Regeltechniker innerhalb weniger Stunden durchführen. Das Projekt veranschaulicht auf eindrucksvolle Weise, wie sich mit relativ geringem Aufwand bestehende Anlagen für die Instandhaltung und Fernwartung aufrüsten lassen.
Fazit
Insgesamt war es mit ca. 65 Teilnehmern eine sehr gelungene und rege Veranstaltung, in der theoretische Kenntnisse und Grundlagen aus dem Leitfaden mit echten Praxisbeispielen aus dem Maschinen- und Anlagenbau fassbar gemacht wurden. Den Teilnehmern bot sich während der gesamten Veranstaltung die Möglichkeit direkt mit den Referenten und Fachexperten in einen intensiven Austausch und Diskussion zu gehen und so wertvolle Erfahrungen und Anregungen für eigene Retrofit-Projekte zu sammeln und zu erörtern.